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Rückblick zur RENN.arena WEST: Der Polarisierung auf den Zahn gefühlt

RENN.west

Wie tief ist unsere Gesellschaft wirklich gespalten – und wie können wir den Zusammenhalt wieder stärken? Darüber diskutierten rund 100 Teilnehmende bei der RENN.arena WEST. Ein Rückblick.

Am 01. April 2025 fand mit der RENN.arena WEST die erste von vier regionalen Konferenzen des RENN e.V. in Dortmund statt. Rund 100 Teilnehmende kamen in der Hörder Burg zusammen, um miteinander zu diskutieren, wie gespalten unsere Gesellschaft wirklich ist und wie der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden kann.

Die RENN.arena WEST mit dem Titel „Gesellschaft der Empörten? Demokratischer Zusammenhalt in Zeiten der Polarisierung“ bildete als erste von vier Regionalkonferenzen des neuen RENN e.V. den Auftakt für weitere Veranstaltungen zum Jahresthema gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Dr. Klaus Reuter begrüßte als Vorstandsmitglied des RENN e.V. die Teilnehmenden und betonte die Notwendigkeit der Stärkung von gesellschaftlicher Resilienz gegenüber demokratiefeindlichen Narrativen. Den aktuellen weltpolitischen Entwicklungen hin zu einer steigenden Etablierung autokratischer Handlungsweisen müsse die Gesellschaft entschieden entgegentreten. 

Keynote zur Verortung: Wo spaltet sich die Gesellschaft?

Zu Beginn der Konferenz ordnete Prof. Dr. Holger Lengfeld, Professor an der Universität Leipzig und Mitglied des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), mit einer Keynote die gefühlte Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft ein.

In den Forschungsergebnissen lasse sich eine Polarisierung anhand von Idealvorstellungen gesellschaftlicher Gruppen und Personen mit entgegengesetzten sozio-ökonomischen, kulturellen und regionalen Merkmalen nicht erkennen. Vielmehr kann eine Spaltung mit dem Blick auf politische Werte festgestellt werden: Laut FGZ bestehe eine verstärkte affektive Polarisierung zwischen Personen, die sich als politisch links und politisch rechts identifizieren – die beiden Gruppen empfinden jeweils wenig bis keine Sympathie zueinander. Doch weshalb liegt nur bei diesen Gruppen eine eindeutige Spaltung vor? „Wir gehen als Individuen davon aus, dass eine Veränderbarkeit in der politischen Überzeugung einer Person besteht“, begründete Prof. Dr. Holger Lengfeld das Phänomen. Deshalb liege eine besondere Emotionalität zwischen diesen beiden Gruppen vor, die Debatten und Konflikte verschärfe. Doch genau die Annahme, dass sich politische Einstellungen ändern lassen, sei laut Lengfeld grundlegend und auch produktiv für eine lebendige Demokratie.

Die präsentierten Forschungsergebnisse zu den Spaltungstendenzen der deutschen Gesellschaft und der affektiven Polarisierung können auf der Website des FGZ eingesehen werden. 

Podiumsdiskussion zum demokratischen Diskurs: Was fördert Zusammenhalt?

Nach dem erkenntnisreichen Einblick diskutierten Manfred Belle (Eine Welt Netz NRW), Prof. Dr. Holger Lengfeld, Dr. Dorothea Morgenweg (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehrs NRW) sowie Bodo Richter (Rat für Nachhaltige Entwicklung) auf dem Podium Ihre Einschätzungen des Status Quo der gesellschaftlichen Spaltung.

Es lasse sich einen Wandel in der Diskussionskultur erkennen (beispielsweise im Landtag oder auf Bundestagsebene), so Dr. Dorothea Morgenweg – es werde vermehrt schwarz-weiß bei Themen gedacht und somit würden sich Debatten emotionalisieren. Was es jedoch brauche, sei das Zulassen von mehr Grautöne in den Debatten und ein bewusstes Ansprechen von Emotionen. Manfred Belle stellte die Frage in den Raum, ob wir als Gesellschaft mehr Empörung bräuchten oder doch eher „Blutdrucksenker“, um den angeheizten Debatten mit einem kühlen Kopf entgegenzutreten. 

Doch wie kann der Umgang mit demokratiegefährdenden Parteien gestaltet werden? Sollte eine bewusste und strategische Ausgrenzung stattfinden oder aufeinander zugegangen werden? Auch wenn fachliche Argumente es schwer haben können, plädierte Bodo Richter dafür, sich den Diskussionen zu stellen. Prof. Dr. Lengfeld stellte fest, dass demokratiegefährdende Parteien durch ihr Angebot an (zu) einfachen Antworten auf komplexe Fragen immer mehr an Popularität gewännen. Dem Populismus müsse widerstanden werden. Bei Personen, die nicht mehr Teil des demokratischen Diskurses seien, sollte sich bemüht werden, diese zurückzugewinnen anstatt sie grundsätzlich auszugrenzen. 

Als der zunehmend verschärfte Ton im öffentlichen Diskurs auf dem Podium diskutiert wurde, stellte Dr. Morgenweg fest, dass Demokratie Spaß machen solle und eine Diskussionskultur geschaffen werden müsse, die allen Beteiligten Freude mache. „Bildung für Nachhaltige Entwicklung kann an dieser Stelle eine essenzielle Funktion erfüllen, da nach den Prinzipien von BNE Fähigkeiten für eine demokratische Debattenkultur und Aushandlungsprozesse beigebracht werden“, erläuterte Dr. Morgenweg ihren Lösungsansatz. Hierbei sei es besonders wichtig, junge Menschen in den Diskursen zu integrieren, um Selbstwirksamkeit in demokratischen Prozessen erlebbar zu machen. Richter führte diesen Punkt weiter aus: „Partizipationsmöglichkeiten müssen insbesondere auf kommunaler Ebene dazu dienen, Demokratie greifbar und gestaltbar zu machen.“ Belle bestätige dies und unterstrich, dass mehr politische Kompromisse erarbeitet werden sollten. Zudem sei es wichtig, bestehendes Engagement für Demokratie zu fördern. 

Zum Ende der Podiumsdiskussion stellten die Diskutant*innen fest, dass sich junge Menschen zunehmend in den Diskursen beteiligen und der intergenerationelle Austausch stärker in das Bewusstsein rücke. In einem abschließenden Vermerk stellte Prof. Dr. Holger Lengfeld mit Blick auf das Publikum fest: „Sie sitzen alle hier, das macht mir Mut!“. 

Workshops zu Konfliktherden: Was befeuert und was lindert die Empörung? 

Anknüpfend an die Podiumsdiskussion, diskutierten die Teilnehmenden zu verschiedenen Spannungsfeldern im Rahmen der folgenden Workshops:

  1. Faire Besteuerung – Wie finden wir Ausgleich?
  2. Gerechte Migration – Wie bauen wir Brücken?
  3. Political Correctness – Wie gehen wir miteinander um?
  4. Vertretbare Ressourcennutzung – Wie schaffen wir Balance?

Mit der Unterstützung von fachkenntlichen Workshopleitungen und Impulsgebenden, wurden Ursachen für Spannungen innerhalb dieser Debatten diskutiert, Lösungen zum Auflockern jener Spannungen ermittelt und schließlich erste Hypothesen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts formuliert. Dabei wurde unter anderem festgestellt: 

  1. Faire Besteuerung, Steuertransparenz und die Offenlegung von Lobbyismus stärken das Vertrauen in die Demokratie und fördern durch gezielte Steuerung nachhaltiges und solidarisches Verhalten im Kontext der sozial-ökologischen Transformation.
  2. Durch kontinuierliche Selbstreflexion und Offenheit für Neues, die Anerkennung von Vielfalt als Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Einfühlungsvermögen gegenüber anderen und die Übernahme von Verantwortung für die Gestaltung unserer Gesellschaft, kann eine gerechtere und solidarischere Gemeinschaft gefördert werden.
  3. Um eine funktionierende Demokratie zu gewährleisten, müssen gemeinsame Visionen und ein Grundkonsens über das gesellschaftliche Miteinander bestehen, wobei Dissens als produktiver Gestaltungsspielraum akzeptiert wird.
  4. Ein gerechter und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen erfordert einen kulturellen Wandel im Konsumverhalten, ein neues Verständnis von Wohlstand sowie die Transformation der Wirtschaft – als Antwort auf überschrittene planetare Grenzen und strukturelle Umsetzungsdefizite.

 

Impuls aus dem Leben: Wie gehen wir miteinander um?

Bei einem abschließenden Impuls stellte Ali Can, Sozialaktivist, Leiter des VielRespektZentrums in Essen sowie Mitglied im NRW-Nachhaltigkeitsbeirat, seine Ansätze dar, um das Miteinander zu stärken. Mit seinen persönlichen Eindrücken und praktischen Erfahrungen in seiner Arbeit als Sozialaktivist, beeindruckte Can die Teilnehmenden. Durch seine offene und selbstironische Art als „Migrant des Vertrauens“ mit potenziellen Gegner*innen seiner Person in ein Gespräch zu gehen, sei es möglich, Vorurteile zu entkräften und Vielfalt erlebbar zu machen. Denn Begegnung ist das, was eine Gesellschaft ausmache – wie der „Plausch im Alltag“ zeigt, dass zwischen Menschen doch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestehen. 

Aus Diskussionen werden Hypothesen: So geht es weiter

Auf der RENN.arena WEST wurde der aktuelle Zustand der Gesellschaft systematisiert und konstruktiv sowie kritisch diskutiert – zudem wurden konkrete Appelle und Möglichkeiten zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts formuliert. So wurde festgestellt, dass die Gesellschaft in vielen Teilen nicht so gespalten und empört ist, wie oft der Eindruck erweckt wird. Deutlich wurde jedoch, welche vielschichtige Betrachtungsweise die Debatten erfordert. 

Die Ergebnisse der Konferenz fließen, gemeinsam mit den Ergebnissen drei weiterer Regionalkonferenzen (Infos hier), auf den RENN.tagen zusammen. Am 16. und 17. Juni werden in Berlin die Erkenntnisse und Hypothesen zu konkreten Handlungsempfehlungen ausgearbeitet.

Die Anmeldung zu den RENN.tagen ist geöffnet – sichern Sie sich einen Platz! Zur Anmeldung hier.

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