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Das 17-Minuten-Interview

© Susanne Brandt

»Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben. Die Freude am Lesen entwickelt sich im Kontext vieler Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen und zu entdecken.«
 

Wohnort: Lübeck

Beruf: In Teilzeit engagiert bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein für die ZukunftsBibliotheken Schleswig Holstein. Entwickelt und teilt Inspirationen und Bildungsideen zu Kultur und Natur teils freiberuflich, teils ehrenamtlich auf Waldworte sind Weltorte – Weblog mit Inspiration und Bildungsideen zu Kultur und Natur.

Susanne, könntest Du Dich und Deine Tätigkeit bitte kurz vorstellen?

Ja, gerne. Ich bin Diplom-Bibliothekarin und Bildungsreferentin für nachhaltige Entwicklung. Nach meinem Studium des Bibliothekswesens habe ich mich später im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und Bildung für nachhaltige Entwicklung weitergebildet. Derzeit arbeite ich jeweils in Teilzeit sowohl für die Büchereizentrale Schleswig-Holstein als auch freiberuflich in verschiedenen Projekten zur nachhaltigen Bildung, über die ich unter www.waldworte.eu berichte. Mein Ziel ist es, Menschen für das Thema Nachhaltigkeit in besonderer Weise zu sensibilisieren. Denn das, was mit diesem sperrigen und abstrakten Begriff gemeint ist, kann auch sinnlich, emotional, poetisch und kreativ begriffen und mitgestaltet werden – ganz unkompliziert und alltagstauglich.

© Susanne Brandt
Wie hat sich Deine Arbeit in den letzten Jahren entwickelt, insbesondere im Hinblick auf die Themen Nachhaltigkeit und Bildung?

In den letzten Jahren hat sich die Arbeit in den Bibliotheken stark verändert. Insbesondere während der Corona-Zeit haben wir viele neue Projekte ins Leben gerufen, um die Menschen trotz der Einschränkungen zu erreichen. Ein Beispiel ist das Projekt „Baumzauber“. Es war das kreative Herzstück eines Erzählweg-Projekts, das wir mit mehreren Büchereien in Schleswig-Holstein gemeinsam im Freien durchgeführt haben. Solche Projekte fördern nicht nur die Kreativität, sondern auch die Verbindung zur Natur und das Gemeinschaftsgefühl. Darüber hinaus haben wir das Netzwerk Zukunftsbibliotheken gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken zu stärken und gemeinsame Aktionen im Bereich Nachhaltigkeit zu koordinieren. Und für mich persönlich habe ich gemerkt: Ich möchte mich auf diesem Gebiet gründlicher weiterqualifizieren – auch über das Bibliothekswesen hinaus. Daraus sind für mich in der Freiberuflichkeit neue Chancen und Schwerpunkte erwachsen.

Du erwähntest das Projekt „Baumzauber“. Könntest Du näher darauf eingehen?

Natürlich. „Baumzauber“ war ein Projekt, das mit einer Idee von zwei Künstlerinnen und Autorinnen, Susanne Orosz und Nadia Malverti, verwirklicht wurde. Gemeinsam mit ihnen haben wir Workshops organisiert, bei denen Kinder Baumrinden-Frottagen (1) erstellt und daraus Baumwesen entwickelt haben. Diese Wesen wurden dann in Geschichten eingebunden, die nach den eigenen Ideen der Kindern entstanden sind. Die Werke wurden dann auf einem sogenannten Erzählweg, einer Freiluftausstellung, präsentiert. Ich habe festgestellt, dass Kinder, wenn sie draußen in der Natur sind und kreativ arbeiten, viel offener und sprachlich vielfältiger werden. Das Projekt hat gezeigt, wie wichtig es ist, Kinder in ihrer natürlichen Umgebung zu fördern und ihnen Raum für ihre Fantasie zu geben. 

 

 

© Klaus-Uwe Nommensen
Wie reagieren die Kinder und Eltern auf solche Projekte?

Die Reaktionen sind durchweg positiv. Die Kinder sind begeistert, weil sie aktiv teilnehmen und ihre eigenen Geschichten entwickeln können. Eltern schätzen die kreativen und naturverbundenen Angebote, die ihren Kindern neue Perspektiven eröffnen – auch als Ergänzung oder Alternative zu den überall präsenten digitalen Medien. Einige Eltern haben uns rückgemeldet, dass ihre Kinder nach den Workshops interessierter an Büchern und Geschichten sind und dass sie als Familie nun öfter gemeinsam in die Natur gehen. Es ist schön zu sehen, dass solche Projekte nicht nur die Kinder, sondern auch die ganze Familie positiv beeinflussen.

Du bist auch in der Entwicklung der Zunkunftsbibliotheken Schleswig-Holstein involviert. Wie kam es dazu und welche Rolle spielt die Büchereizentrale Schleswig-Holstein dabei?

Die Büchereizentrale Schleswig-Holstein koordiniert mit mir als zuständige Kollegin dieses Netzwerk, das sich gebildet hat, um die Weiterentwicklung von Bibliotheken als wichtige Partner in der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu fördern. Bibliotheken bieten nicht nur Zugang zu Wissen, sondern unterstützen auch durch zahlreiche Projekte die praktische Anwendung dieses Wissens und eine Kultur des Teilens. Unsere Aufgabe ist es, Nachhaltigkeitsthemen im Alltag der Menschen lebendig werden zu lassen und Bildungsangebote zu schaffen, die die Lebensrealität und Interessen der Menschen widerspiegeln. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen und lokalen Partnern – etwa bei der Mitarbeit am Wimmelbuch von RENN.nord oder anderen Projekten. So können wir gemeinsam eine größere Wirkung erzielen und Nachhaltigkeit in verschiedenen Lebensbereichen verankern.

Du hast das Wimmelbuch-Projekt erwähnt. Was genau hat es damit auf sich und wie hast Du daran mitgearbeitet?

Das Wimmelbuch-Projekt ist ein tolles Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit RENN.nord. Gemeinsam haben wir mit verschiedenen Partnerinnen ein Wimmelbuch entwickelt, das das Thema Artenschutz kindgerecht und visuell aufbereitet. Dabei war es wichtig, dass aus verschiedenen Perspektiven auf die Themen geblickt wurde. Unsere Aufgabe war es, sicherzustellen, dass das Buch nicht nur inhaltlich korrekt, sondern auch ansprechend und inspirierend für Kinder ist. Das Buch wird sehr gut angenommen und wir bemühen uns, es in verschiedenen Kontexten einzusetzen. Zum Beispiel nutze ich es in Workshops mit angehenden Erzieher:innen, um ihnen zu zeigen, wie sie Nachhaltigkeitsthemen in ihren Kitas einbringen bzw. Artenvielfalt entdecken können – und das auf spielerische Art. 

Was wünschst Du Dir für die Zukunft Deiner Arbeit und die Rolle der Bibliotheken im Bereich Nachhaltigkeit?

Mein größter Wunsch ist es, dass wir die Trennung zwischen verschiedenen Berufs- und Fachrichtungen weiter aufbrechen. BNE erfordert ein ganzheitliches Denken und Handeln, bei dem Naturwissenschaften, Philosophie, Kunst, Kultur, Wirtschaft  und Soziales zusammenkommen. Bibliotheken können dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie nicht nur Wissen bereitstellen, sondern auch als Orte der Begegnung und des Austauschs fungieren. Ich hoffe, dass wir weiterhin innovative Ideen entwickeln können, die Menschen dazu inspirieren, eigene Möglichkeiten zur Mitgestaltung von nachhaltig wirksamen Veränderungen zu entdecken und zu nutzen. Außerdem wünsche ich mir, dass Bibliotheken noch stärker als wichtige Bildungs- und Kulturinstitutionen wahrgenommen werden und die nötige Unterstützung erhalten, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können.

Wie siehst Du die Verbindung zwischen Leseförderung und Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Leseförderung und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind für mich eng miteinander verbunden. Leseförderung ist mehr als nur das Vermitteln von Lesekompetenz.

Mein persönlicher Leitspruch dabei heißt: Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben. Die Freude am Lesen entwickelt sich ja im Kontext vieler Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen und zu entdecken. Daraus erwächst die Motivation, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Bücher und Geschichten erweitern dabei unseren Horizont und regen dazu an, neue Perspektiven einzunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass Bibliotheken eine breite Auswahl an Büchern und Medien anbieten, die unterschiedliche Aspekte im Blick auf das Leben und auf Fragen zur nachhaltigen Entwicklung beleuchten.

Welche konkreten Schritte planst Du, um Deine Ziele zu erreichen?

Ein wichtiger Schritt ist die kontinuierliche Weiterbildung und Vernetzung. Ich plane, weiterhin Workshop- und Begegnungsformate, bei denen Menschen erleben, wie sie Nachhaltigkeitsthemen auch kreativ und mit Elementen der kulturellen Bildung gestalten können.

Außerdem sehe ich in der Kombination mit meiner Freiberuflichkeit verbesserte Möglichkeiten, um vertiefend zu arbeiten und bei Kooperationen die Kreise zu erweitern. Bildung für nachhaltige Entwicklung meint ja nicht einfach Handlungsanweisungen, sondern vielmehr Einfühlung, Kreativität und Mitgestaltung. Ziele werden über oft lange und nicht immer gradlinige Wege erreicht. Da liegt mir in der Arbeit mit Bibliotheken wie auch freiberuflich darüber hinaus besonders die Mitgestaltung vielfältiger Wege der Veränderung am Herzen: mit Beweglichkeit, Kreativität und Entdeckerlust.

Vielen Dank für das Gespräch, Susanne. Deine Arbeit ist wirklich inspirierend und zeigt, wie wichtig Bibliotheken für unsere Gesellschaft sind.

Vielen Dank. Es war mir eine Freude, über meine Arbeit zu sprechen. Ich hoffe, dass wir weiterhin viele Menschen für das Thema Nachhaltigkeit begeistern können und gemeinsam eine positive Veränderung bewirken.

Das letzte Wort:

Hat meistens jemand anderes ...

Susanne Klaar, RENN.nord Öffentlichkeitsarbeit, führte das Interview im Juli 2024, kurz nach dem Biodiversitätstag in Norderstedt.

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein dynamisches Mosaik, bei dem jede Facette – von Wissen bis Kreativität – gemeinsam das bunte Bild einer nachhaltigen Zukunft formt.

Herzlichen Dank für das Gespräch, liebe Susanne!

1 (von frz. "frotter" = reiben) oder auch Abreibung bezeichnet die grafische Technik, ein Oberflächenrelief eines Gegenstandes mittels eines Wachs- oder Bleistiftes auf ein darüber gespanntes Blatt Papier zu übertragen.

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