„Wir haben alles für Klimaneutralität, wir müssen nur noch ins Handeln kommen“ – Nachbericht zum 3. Webinar „bRENNglas Corona-Krise“
Am 02. Februar 2021 sprachen wir im Zuge unserer Online-Seminarreihe „bRENNglas Corona-Krise“ über Energiewende und Klimaschutz - mit Jan Burck (Germanwatch) und Gesa Maschkowski (Bonn im Wandel). Neben dem Nachbericht kann auch ein Videomitschnitt des Webinars angesehen werden.
Deutschland hat sein Klimaziel für 2020 überraschend doch noch erreicht: 40 Prozent weniger CO2-Emissionen stoßen wir im Vergleich zu 1990 aus. „Aber keiner feiert sich dafür – zu Recht“, so Jan Burck, denn die notwendige Emissionssenkung von sieben Prozent ist durch die immensen Einschränkungen der Corona-Pandemie entstanden und nicht durch Klimaschutzmaßnahmen. Doch wie schaffen wir es auch ohne Corona-Einschränkungen, diesen Trend fortzuschreiben? Diese und weitere Fragen erörterten Jan Burck (Germanwatch) und Gesa Maschkowski (Bonn im Wandel) im dritten Seminar der Reihe bRENNglas Corona-Krise zum Thema Energiewende und Klimaschutz.
Mangelnde Ambitionen beim Klimaschutz
In Sachen Klimaschutz ist Deutschland kein Vorreiter mehr, denn „die Ziele der Bundesregierung im Klimaschutzgesetz sind viel zu schwach“, stellt Burck klar. Das Reduktionsziel von 55 Prozent müsse angehoben werden auf 65 oder 70 Prozent bis 2030, um die globale Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu halten. Dementsprechend sind auch die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichend. Das unterstreicht eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums, die aufweist, dass die bisher festgeschriebenen Maßnahmen nicht einmal ausreichen, um die Treibhausgasemissionen auf das Ziel von 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 zu reduzieren. Burck stellt zudem in Frage, ob es ausreicht, dass Deutschland bis 2050 klimaneutral ist. „Reiche Staaten, die deutlich mehr zur Klimakrise beigetragen haben, müssen schneller vorangehen, damit wir 2050 globale Treibhausgasneutralität erreichen können“.
Bis zur vollständigen Umstellungen auf erneuerbare Energien liegt ein weiter Weg vor uns
Ein großes Manko sieht der Klimaexperte in der Umstellung auf erneuerbare Energien in der Gesamtwirtschaft, also zum Beispiel im Industrie- oder Verkehrssektor. Im Gegensatz zum Stromverbrauch, bei dem der Anteil an erneuerbaren Energien bei ca. 50 Prozent liegt, beträgt der Anteil an grünen Energielieferanten am Gesamtenergieverbrauch lediglich ca. 15 Prozent. Burck betont die „immense Anstrengung“ die vor uns liegt, um die Ambitionslücke von 85 Prozent zu schließen. Vor allem im Bereich grüne Stromversorgung, der energetischen Sanierung von Häusern und im Verkehrssektor besteht dringend Handlungsbedarf.
CO2-Bepreisung als Weg zur Energiewende
In der Bepreisung von CO2 besteht für Burck zunehmend Potential für die Energiewende. Inzwischen seien die Preise für die Großindustrie und Stromversorger hoch genug, um eine Lenkungswirkung zu verursachen. Im Verkehrssektor macht sich der Preis von 25 Euro je Tonne jedoch kaum bemerkbar. Umgerechnet macht das an der Tankstelle gerade mal 10 Cent pro Liter aus, was auch sonst durchaus eine normale Schwankung ist. „Die Verkehrswende wird das nicht begünstigen“, stellt Burck klar und ergänzt: „Klare Reduktionsvorgaben müssten den Preis bestimmen und dann wäre dieser deutlich höher – was wiederum soziale Fragen mit sich bringt“.
Gleichzeitig müssten wir uns die Frage stellen, wie wir die Ziele realistisch und freiheitsförmig erreichen. Die Bereitschaft in der Bevölkerung, weniger Energie zu verbrauchen, schätzt Burck noch zu gering ein. Doch auch die Politik muss in Verantwortung gezogen werden und günstige Rahmenbedingungen schaffen. „Das Thema Suffizienz muss auf die politische Agenda rücken“, schlussfolgert er.
Corona-Konjunkturmittel für Transformation nutzen
Durch die Corona-Krise ist die Vergabe von Konjunkturmitteln nun zentrales Thema. Auch im Energiebereich ergibt sich dadurch eine große Chance, mit Hilfe der finanziellen Unterstützung den Grundstein für eine CO2-freie Wirtschaft zu ebnen und Industrien beim transformativen Umbau zu unterstützen. Jan Burck ist überzeugt: „Wir haben alle Technologien die wir brauchen, um klimaneutral zu leben, wir müssen nur noch ins Handeln kommen“.
Bonn4Future – Bürger*innen ins Boot holen
Ins Handeln kommen ist auch die Devise von Gesa Maschkowski. Sie ist Initiatorin des Beteiligungsprojektes Bonn4Future und der Meinung: „Den Wandel kriegen wir nur gemeinsam mit den Bürger*innen hin – wir müssen ihnen ermöglichen an ihm teilzuhaben und mitzuwirken“. Um Bürger*innen die Teilhabe zu ermöglichen, müsse man laut Maschkowski zunächst vor allem eins tun: Fragen stellen. Was brauchen Menschen, um die Klimakrise verstehen, erklären und einordnen zu können? Was brauchen sie, um den Eindruck zu bekommen, sie haben einen Einfluss auf das Geschehen? Und was kann man tun, um Menschen klar zu machen, dass sich die Mühe lohnt?
Hinter diesen Fragen stehen Erkenntnisse aus der Resilienzforschung, die zeigen, welche Faktoren uns helfen, Krisen zu bewältigen. Um Veränderung zu gestalten und die Neutralitätsziele zu erreichen, müssen Bürger*innen die Krise, die Wirksamkeit ihres Handelns und die Sinnhaftigkeit dahinter verstehen. Die größte Gefahr sieht Maschkowski in der Aufklärungsillusion: „Dass eine Expertin einem Laien den Klimawandel erklärt und dieser dann erkennt, dass er sein Verhalten ändern müsse und das dann auch wirklich tut – das funktioniert nicht!“
Alle an einem Strang: Gesellschaft, Politik, Verwaltung
Dass Menschen erfahren, was die Klimakrise bedeutet und dass sie gebraucht werden, ist eines der Ziele des Projektes Bonn4Future. Nachdem die Stadt Bonn 2019 den Klimanotstand ausrief und sich selbst kurz darauf das Klimaneutralitätsziel 2035 gab, hat Bonn im Wandel zusammen mit der Klimawache Bonn im Frühjahr 2020 ein Antrag auf Bürger*innenbeteiligung eingereicht, dem stattgegeben wurde. Bonn4Future entstand als ein noch nie da gewesener Zusammenschluss aus zivilgesellschaftlichen Netzwerken, der Stadtverwaltung und der Politik – denn letztlich kann ein solches Beteiligungsprojekt nur gelingen, wenn alle gemeinsam mitwirken. Ende 2020 stand der Kooperationsvertrag mit der Stadt und die Umsetzung konnte beginnen.
Für die kommenden zwei Jahre sind nun Visions-und Aktionstage für interessierte Bürger*innen geplant sowie vier Klimaforen, bei denen zufällig ausgewählte Bürger*innen mit Expert*innen sowie Vetreter*innen aus Politik und Verwaltung Empfehlungen für ein klimaneutrales Bonn erarbeiten. Fragen wie „Wie können wir Menschen jenseits der Grünen Blase erreichen?“ werden gemeinsam diskutiert sowie ein Kommunikationsnetzwerk aufgebaut, um ausgewählte Zielgruppen zu erreichen. Zudem wird eine Bonner Nachhaltigkeitsplattform entstehen, um klimapolitische Initiativen sichtbar zu machen.
Um die nötige Transformation in Gang zu setzten braucht es laut Maschkowski vor allem noch eins: Positive Anreize und die Vision einer besseren Zukunft. Und nicht zuletzt auch Spaß an der Veränderung.
Das Online-Seminar „bRENNglas Corona-Krise: Wie geht es weiter mit … Energiewende und Klimaschutz?“ am 2. Februar 2021 wurde aufgezeichnet. Den Mitschnitt können Sie sich auf unserem YouTube-Kanal unter diesem Link anschauen.
Die Anmeldung zum nächsten bRENNglas-Termin am 4.3. zu nachhaltigem Bauen und Verkehrswende ist jetzt möglich: Zur Anmeldung
Text: Emma Lou Busch, Germanwatch