Potentiale statt Konflikte in den Vordergrund - Nachbericht zur RENN.west ARENA 2022
Eine klimagerechte Energiewende und nachhaltige Landwirtschaft, die sich gegenseitig bestärken? Diese Frage stand im Mittelpunkt der RENN.west ARENA am 10. November 2022 in Frankfurt.
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Die sechste Jahrestagung der Netzstelle stellte Synergien und mutige Lösungsansätze in den Mittelpunkt und knüpft damit an die Ergebnisse der Netzwerk- und Austauschformate des Jahres an. Jennifer Gatzke, Geschäftsführerin der ANU Hessen begrüßte als RENN.west-Partnerin die Teilnehmenden und führt mit einem Blick auf das aktuelle Weltgeschehen in die zentrale Frage des Tages ein: Was bedeuten die aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen für die Transformation? Mit dem Fokus auf Agrar- und Ernährungssysteme sowie Klimaschutz und Energiewende als Transformationsbereiche der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wurden Zielkonflikte und Wechselwirklungen sowie die Transformation innerhalb bestehender Systeme diskutiert.
Fehlende Leidensbereitschaft hemmt
Rechtsanwalt Dirk Teßmer eröffnete die Tagung mit einer Keynote und stellte zunächst die Frage in den Mittelpunkt, ob persönliche Verhaltensänderungen oder rechtliche Rahmenbedingungen für die Transformation ausschlaggebend seien. „In Deutschland und anderen Industrienationen waren wir bisher nur bedingt bereit, substanzielle Änderungen anzugehen – es fehlte bislang an Einsicht und Leidensbereitschaft“, so Teßmer. Durch die Globalisierung sei unsere Welt in Abhängigkeiten getreten und Ressourcen würden knapper. Auch der Ukraine-Krieg habe diesbezüglich für einen neuen Handlungsdruck gesorgt, der Umstellungen erfordere, die häufig für die Gesellschaft zu abstrakt seien. In Reaktion darauf passiere gerade sehr viel auf der Gesetzgebungsebene: Gesetze würden geändert, Beteiligungsrechte in Frage gestellt. Doch mehr denn je, komme es heute darauf an, alle mitzunehmen und die gesellschaftliche Akzeptanz zu fordern. Denn die Umsetzung der Gesetzgebung erfolge nur, wenn Bereitschaft vorhanden sei. Die Politik würde dabei gesellschaftlichen Signalen folgen.
Derzeit andauernde multiple Krisen würden zu unzähligen Zielkonflikten führen, die es zu lösen gelte. Doch Teßmer ermutigte ebenso zum Handeln – in einigen Belangen seien die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen bereits vorhanden und müssten zum Beispiel auf kommunaler Ebene entschlossener genutzt werden. Teßmer verwies auf das kommunale Satzungsrecht, das Kommunen zum Handeln befähigt.
Synergien versus Zielkonflikte
Den Blick in die Praxis lenkten Lisa Fröhlich, Beraterin im Bereich Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel im Bereich Landwirtschaft und Gartenbau beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, und Jirko Stiller, Landwirt und Geschäftsführer der Hof BodenGut GmbH, im Gespräch.
So schilderten beide die Herausforderung, dass die Transformation hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gewollt sei, aber die Veränderungsbereitschaft aller Akteur*innen nicht ausreiche. Um die Nahrungsmittelproduktion regionaler zu gestalten, plane Stiller derzeit ein zehn Hektar großes Gewächshaus in Hessen, um ganzjährig Tomaten, Paprika und Gurken im großen Stil anzubauen. Dies könne, so Stiller gleich mehrere Aspekte abgedecken, u.a. Ressourceneinsparungen, Abbau von Abhängigkeiten, gestärkte Wirtschaftlichkeit und verbesserte Produktionsbedingungen.
Für den Wandel sei zudem der gestärkte Dialog mit Politik und Gesellschaft notwendig, denn häufig werde die Landwirtschaft pauschal vorverurteilt und falsche Erwartungshaltungen geschürt. Fröhlich ergänzte darüber hinaus die gesetzlichen Rahmenbedingungen: „Landwirtschaft muss sich lohnen – und um Nachhaltigkeit und Innovationen effektiv umsetzen zu können, braucht es langfristige Perspektiven durch stabile Regulierungen.“
Prioritäten setzen und neu denken
Anschließend diskutierten die Teilnehmenden in diesem Zusammenhang in vier parallelen Workshops zentrale Handlungsfelder, die im Jahresverlauf der RENN.west-Formate hervorgehoben wurden. Die zentralen Ergebnisse dieser Diskussionen werden zeitnah in einem gesonderten Eckpunktepapier veröffentlicht. Im Rahmen folgender Workshops wurde diskutiert:
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bRENNpunkt I: Vision und Wirklichkeit: Spannungsfeld zwischen Transformation und Fachkräftebedarfe in der Ernährungs-, Agrar- und Energiewende (Impulsreferent: Krischan Ostenrath, Chefredaktion WILA Arbeitsmarkt / Arbeitsmarkt Erneuerbare Energien, Wissenschaftsladen Bonn e. V. | Blitzlichter aus der Praxis: Jirko Stiller, Landwirt und Geschäftsführer der Hof BodenGut GmbH & Michael Kauer, Klimaschutzmanager Stadt Linden)
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bRENNpunkt II: Energiebedarfe zwischen Flächenkonkurrenzen und Naturschutz (Impulsreferent: Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW e. V. )
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bRENNpunkt III: Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften für mehr Teilhabe und Gerechtigkeit (Impulsreferent*innen: Nadine Stalpes, Gründerin Eifel Myzel & Charlotte v. Wulffen, CSX Netzwerk)
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bRENNpunkt IV: Ressourcenschonung zwischen Regionalität und Globalisierung (Impulsreferent: Dipl.-Ing. Agr. Frank Wagener, Bereichsleiter - Biomasse und Kulturlandschaftsentwicklung, Institut für angewandtes Stoffstrommanagement – IfaS am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier)
Perspektiven schaffen
Als Konsortialführer von RENN.west zog Dr. Klaus Reuter, Geschäftsführer der LAG 21 NRW, ein Fazit des Tages. Die Diskussionen hätten verdeutlicht, dass ein verstärktes integratives und kooperatives Denken und Handeln notwendig sei. Die Zeit, die Transformation durch Einsicht zu steuern, sei vorbei. So müssten in der Konsequenz Multiplikator*innen die Notwendigkeit von Maßnahmen kommunizieren und dabei Potentiale in den Vordergrund stellen – nicht die Konflikte. Neue Allianzen und kreative Kooperationen zwischen Akteur*innen zu schaffen, würde ermutigende Perspektiven schaffen. Das RENN.west-Netzwerk böte einen entsprechenden Rahmen, der von allen Beteiligten gerne genutzt werden könne.
Das Graphic Recording der Veranstaltung finden Sie hier.
Ein kurzes Video auf Instagram gibt zudem Einblicke in den Tag. Sie finden dieses hier.
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