Wie können wir durch Dialog, Bildung und nachhaltige Wirtschaft „als Wegbereiter“ Verantwortung übernehmen, Perspektiven gestalten und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken? Darüber diskutierten rund 60 Teilnehmende bei der RENN.arena NORD in Hamburg. Ein Rückblick.
Am 29. April 2025 fand im WÄLDERHAUS in Hamburg die zweite von vier Regionalkonferenzen des RENN e. V. statt. Unter dem Titel „Nachhaltigkeit als gemeinschaftlicher Anker – Bildung und Wirtschaft als Treiber des kommunalen Wandels“ kamen engagierte Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, Bildung, Wissenschaft, Kommunen und Politik zusammen. Im Zentrum stand die Frage, wie gespalten unsere Gesellschaft wirklich ist – und welche Wege zu mehr Zusammenhalt und gemeinsamer Verantwortung führen können.
Die Veranstaltung wurde von Birte Kruse-Gobrecht, Bürgermeisterin a.D., moderiert, die mit klarem Blick durch den Tag führte und den Dialog zwischen Praxis und Perspektive eröffnete.
Barbara Makowka, Vorstandsmitglied des RENN e. V. und Geschäftsführerin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Hamburg e.V., eröffnete die Veranstaltung und betonte, wie wichtig es sei, die Gesellschaft gerade in diesen herausfordernden Zeiten zu festigen. Veranstaltungen wie die RENN.arena, so Makowka, könnten „Gehör verschaffen, Impulse geben und Räume für den demokratischen Diskurs schaffen.“


Keynote: Bildung, die zum Handeln befähigt
Dr. Antje Brock, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Arbeitsstelle des Wissenschaftlichen Beraters des UNESCO-BNE-Programms „ESD for 2030“ an der Freien Universität Berlin, Institut Futur, sprach in ihrer Keynote über die gefühlte Polarisierung und gesellschaftliche Spaltung im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Ein zentrales Thema war die Diskrepanz zwischen der Größe globaler Herausforderungen – wie Klimawandel, Umweltzerstörung oder sozialer Ungleichheit – und der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit der Menschen, also dem Gefühl, mit dem eigenen Handeln tatsächlich etwas bewirken zu können.
In ihrem Forschungsfeld betont Antje Brock die Bedeutung einer transformativen Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern Menschen befähigt, Handlungsspielräume zu erkennen, kritisch zu reflektieren und gemeinsam aktiv zu werden – auch angesichts komplexer globaler Probleme. Emotionale Dimensionen sowie die Schaffung von Dialogräumen spielen dabei eine zentrale Rolle, um Unsicherheit zu bewältigen, gesellschaftliche Spaltung zu überwinden und gemeinsam zukunftsfähige Perspektiven zu entwickeln.
Denn nicht das Wissen allein motiviert zum Handeln, sondern die Überzeugung, dass eine bestimmte Handlung Wirkung zeigt – und das Vertrauen darin, selbst etwas bewegen zu können.

Impuls: Kultur, die Verständigung fördert
Peter Lau, langjähriger Journalist und Autor für das Magazin brand eins, plädierte in seinem Impuls für einen radikalen Perspektivwechsel im gesellschaftlichen Miteinander: „Vergesst Social Media. Geht raus und sprecht miteinander.“
Im Rahmen der RENN.arena NORD betonte er die Bedeutung echter Begegnungsräume – Orte, an denen Verständigung wieder möglich wird, jenseits von algorithmisch befeuerter Empörung oder digitaler Echokammern. Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen und ökologischer Krisen braucht es analoge Räume für Dialog, in denen Unterschiedlichkeit nicht trennt, sondern zum Ausgangspunkt gemeinsamer Zukunft wird.
Sein Impuls zeigte: Veränderung beginnt mit Zuhören. Wenn wir nachhaltigen Wandel wollen, brauchen wir auch eine Kultur der Verständigung – nicht nur in der Politik, sondern im Alltag, in der Nachbarschaft, im Beruf.
Einblick: Ein neues Verständnis von Teilen
Teilen ist das neue Haben – unter diesem Motto stellte Jan Seeberg, Geschäftsführer Produktentwicklung bei der Fainin GmbH, ein neues Verständnis von Sharing vor. Die zentrale Botschaft: Eine neue Kultur des Teilens in Arbeit, Bildung und Alltag braucht vor allem eines – Vertrauen durch Sicherheit.
Denn obwohl 80 % der Dinge, die wir besitzen, nur einmal im Monat genutzt werden, bleiben Vertrauensbedenken für 67 % der Menschen eine zentrale Barriere beim Teilen oder Vermieten. Fainin setzt genau hier an: Durch digitale Lösungen und sichere Plattformstrukturen wird Teilen einfacher, transparenter – und alltäglicher.
Orte des Teilens fördern nicht nur nachhaltigen Konsum, sondern stärken auch das gesellschaftliche Miteinander. So kann Sharing zur neuen Gewohnheit werden – mit spürbaren Auswirkungen: Allein über Fainin sollen in den kommenden 18 Monaten über 440.000 kg CO₂ eingespart werden.


Impuls: Kommunen, die Nachhaltigkeit lebendig machen
Nachhaltige Kommunen in der Praxis – unter diesem Titel stellte Dominik Jung, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Kommunalen Umwelt-AktioN UAN e. V., erfolgreiche Praxisbeispiele aus Niedersachsen vor. Er zeigte auf, wie Kommunen durch gezielte Maßnahmen wirksam zur Nachhaltigkeit beitragen können.
Im Zentrum seines Impulses stand das Projekt „Kommune N“, das Kommunen dabei unterstützt, Nachhaltigkeitsprozesse strukturiert und praxisnah umzusetzen. Es vernetzt lokale Akteur:innen, bündelt Ressourcen und stellt konkrete Werkzeuge bereit – ein Ansatz, der Transformation von unten ermöglicht.
Jung betonte aus langjähriger Erfahrung, dass lokales Engagement, Vernetzung und Umsetzungsorientierung zentrale Erfolgsfaktoren sind. Ob Klimaschutzkonzepte, Bildungsarbeit oder nachhaltige Beschaffung – viele Kommunen sind bereits aktiv und zeigen: Nachhaltigkeit gelingt vor Ort, wenn Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.
Die Beispiele aus Niedersachsen machten deutlich: Kommunen sind Schlüsselakteure der sozial-ökologischen Transformation. Sie gestalten Lebensräume, prägen Konsummuster – und setzen Impulse, die weit über ihre Grenzen hinaus wirken. “Die Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung in Kommunen braucht einen langen Atem – aber sie ist möglich und wirksam“, so Jung.
Podiumsdiskussion: Nachhaltigkeit braucht Dialog – Bildung & Wirtschaft als Wegbereiter
In der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass nachhaltige Transformation weit mehr erfordert als technologische Innovation. Im Mittelpunkt stand die Erkenntnis, dass es gesellschaftlichen Dialog, emotionale Beteiligung und echte Kooperation zwischen Bildung, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft braucht, um den Wandel wirklich zu gestalten.
BNE wurde von Dr. Antje Brock als zentrales Fundament beschrieben: Sie stärkt die Selbstwirksamkeit, fördert kritisches Denken und trägt dazu bei, gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Bildung müsse Menschen befähigen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu handeln – nicht nur Wissen vermitteln. Auch Michael Liebert von der Hamburger Klimaschutzstiftung betonte die Bedeutung nicht-formaler Bildungsformate und struktureller Verankerung von BNE, etwa durch den Hamburger Masterplan. Transformation gelinge nur, wenn reale Beteiligung möglich sei und Verwaltungen offen für Kooperation auf Augenhöhe seien. Rosa Domm von dem Bündis der Grünen unterstrich, dass Hamburg mit konkreten Maßnahmen – vom Ausbau der S-Bahn über Velorouten bis zu CO₂-Reduktionszielen – bereits Schritte in Richtung Mobilitätswende gehe. Doch klar sei auch: Dafür braucht es ambitionierte politische Rahmenbedingungen und Unternehmen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Wie diese Prozesse auf kommunaler Ebene wirksam werden können, zeigte Dominik Jung am Beispiel des Projekts „Kommune N“. Dort wird sichtbar, wie Nachhaltigkeit in der Fläche funktioniert – durch das Zusammenspiel von Verwaltung, Bildung und Zivilgesellschaft. Peter Lau lenkte den Blick auf die gesellschaftliche Dimension des Wandels. Transformation gelinge nur, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen mitgenommen werden – mit echten, analogen Dialogräumen, in denen gegenseitiges Zuhören und Anerkennung möglich sind. Nur so könne Spaltung überwunden werden. Den unternehmerischen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung betonte Jan Seeberg, der Sharing-Modelle als Ausdruck eines neuen wirtschaftlichen Denkens vorstellte – geprägt von Vertrauen, Gemeinwohl und ökologischer Verantwortung. Unternehmen, so sein Plädoyer, können Treiber gesellschaftlichen Wandels sein.
Die Diskussion machte deutlich: Jetzt ist die Zeit zu handeln. Nachhaltigkeit muss systematisch in Studiengänge, politische Programme und lokale Kooperationen integriert werden. Entscheidend sind Bildung, emotionale Intelligenz, politische Rahmenbedingungenund eine Kultur des Zuhörens. Denn nachhaltiger Wandel gelingt, wenn Menschen sich zugehörig fühlen und echte Teilhabe möglich ist.
Interaktive Workshops: Gesellschaftliche Spannungsfelder im Fokus
Im Rahmen der RENN.arena Region Nord standen drei zentrale gesellschaftliche Spannungsfelder im Fokus: Verteilung, Zugehörigkeit und Anerkennung. In interaktiven Workshops diskutierten Teilnehmende aus Bildung, Wirtschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft, wie nachhaltige Entwicklung gelingen kann, wenn soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Teilhabe und kulturelle Anerkennung zusammengedacht und praktisch umgesetzt werden.
Deutlich wurde: Transformation braucht mehr als technologische Lösungen – sie braucht klare Strukturen, frühe Förderung, neue Narrative und Orte der Begegnung, an denen Menschen sich einbringen, voneinander lernen und gemeinsam wachsen können.




Im ersten Workshop zum Thema Verteilung wurde unter der Leitung von Michael Liebert die Rolle von Bildung für nachhaltige Entwicklung beleuchtet. Bildung muss Menschen unabhängig von sozialer Herkunft dazu befähigen, aktiv an Veränderungsprozessen mitzuwirken. Frühkindliche Förderung, gemeinschaftsorientierte Schulformen, die Verbindung von formaler und non-formaler Bildung sowie lebenslanges Lernen sind zentrale Bausteine für mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe.
Der zweite Workshop, moderiert von Mieke Lindner (Hamburger Sparkasse), widmete sich dem Spannungsfeld Zugehörigkeit und der Frage, wie Unternehmen Nachhaltigkeit als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor verstehen und glaubwürdig umsetzen können. Diskutiert wurden Investitionen in zukunftsfähige Geschäftsmodelle, sinnorientierte Kommunikation („Purpose“) und die Notwendigkeit eines kulturellen Wandels, der Identifikation und Verantwortung in den Mittelpunkt rückt – jenseits reiner Effizienz- und Gewinnlogiken.
Im dritten Workshop zum Thema Anerkennung, moderiert von Dörte Busse-Meyn (UAN e. V.), standen die Kommunen im Mittelpunkt. Sie gelten als wichtige Orte gesellschaftlicher Gestaltung, stehen jedoch häufig vor Herausforderungen wie starren Verwaltungsstrukturen, geringer Beteiligung und fehlender Wertschätzung für unterschiedliche Lebensrealitäten. Gefordert wurden New-Work-Ansätze, offene Dialogräume und starke Partnerschaften zwischen Verwaltung, Bildung und Wirtschaft – als Grundlage für eine inklusivere, lokal getragene Nachhaltigkeitspolitik.
Fazit RENN.arena NORD: Gemeinsam handeln, gemeinsam wandeln
Zentrale Erkenntnis der RENN.arena Nord: Nachhaltige Entwicklung gelingt besonders dort, wo Kommunen, Wirtschaft und Bildung gemeinsam handeln – getragen von Beteiligung, Transparenz und klaren Zielen.
Transformation braucht Zugehörigkeit: Menschen engagieren sich, wenn sie teilhaben können und Sinn erleben. Dafür sind neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Narrative notwendig – jenseits technischer Lösungen.
Die RENN.arena Nord hat gezeigt: Aus Vielfalt wird Zukunft, wenn Wandel gemeinsam und menschlich gestaltet wird. Zugehörigkeit ist kein „Nice to have“, sondern die neue Währung der Transformation.
Die Ergebnisse der Konferenz flossen, gemeinsam mit den Ergebnissen drei weiterer Regionalkonferenzen, auf den RENN.tagen zusammen. Am 16. und 17. Juni wurden in Berlin die Erkenntnisse und Hypothesen zu konkreten Handlungsempfehlungen ausgearbeitet und mit Bundespolitikern diskutiert. Zum Rückblick der RENN.tage.