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RENN.arena MITTE

Rückblick zur RENN.arena MITTE: Gemeinsam weiter Brücken bauen

Unsere Gesellschaft steht unter Spannung: Demokratische Grundlagen sind international und auch in Deutschland bedroht. Vor Ort, in Kommunen, Politik, Unternehmen, Vereinen und in der Öffentlichkeit werden die Konflikte um die Gestaltung unserer Zukunft deutlich spürbar und stellen uns vor eine Zerreißprobe. In der RENN.arena MITTE in Halle wurde der Fokus auf Ursachen und Lösungswege dieser Spannungen gerichtet. Der Rückblick zeigt die Ergebnisse der Tagung.

Am 07. Mai 2025 kamen rund 100 Teilnehmende im Händel-Haus in Halle an der Saale zusammen, um zu diskutieren, wie wir Brücken bauen, soziale sowie wirtschaftliche Ungleichheiten gemeinsam angehen und eine nachhaltige Transformation sozial gerecht gestalten können. Die RENN.arena MITTE war eine von vier Regionalkonferenzen des neuen RENN e.V. zum Jahresthema gesellschaftlicher Zusammenhalt.

„Heute sind hier Nachhaltigkeitsthemen zu Gast.“

Mit diesem Satz eröffnete der Moderator Andreas Fritsch, MDR, die Veranstaltung, die im historischen Geburtshaus von Komponist Georg Friedrich Händel stattfand. Josef Ahlke, Vorstandsmitglied des RENN e.V. und Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunftsfähiges Thüringen, wies in seiner Begrüßung auf den wissenschaftlichen Hintergrund der Tagung hin, das Buch „Triggerpunkte: Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser. Ziel der Veranstaltung sei, mit den vielfältigen Teilnehmenden und deren geballter Kompetenz die vier Spannungsfelder, Verteilungsgerechtigkeit, Zugehörigkeit, Anerkennung sowie Erhalt der Lebensgrundlagen, besprechen und dabei auch die Perspektive der ostdeutschen Bundesländer einzubeziehen.

RENN.arena MITTE: Moderator Andreas Fritsch und Josef Ahlke
Josef Ahlke (links) und Andreas Fritsch | Alle Fotos: Kristin Süß

Sicherheit und Zusammenhalt in turbulenten Zeiten

Prof. Dr. Edgar Grande, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung, ging in seinem Impuls zu “Sicherheit und Zusammenhalt in turbulenten Zeiten“ der Frage nach, wie wir Demokratie mit Bildung und Selbstwirksamkeit stärken können. Dabei machte er deutlich: „Wenn man die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will, dann ist die Bildungspolitik der wichtigste Hebel. Die Menschen müssen dazu befähigt werden, dass sie selbstbewusst mit wirtschaftlichen, technischen, sozialen und kulturellen Veränderungen umgehen können.“

Allerdings sei dringend eine Reform des Bildungssystems notwendig, bei der Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft zusammenwirken. Bei dieser müssten Spielräume für Veränderungen auf der lokalen Ebene genutzt und die kommunalen Bildungslandschafen zu Experimentierfeldern für eine Neugestaltung des Bildungswesens gemacht werden. Zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sei ebenfalls das gemeinsame Handeln im öffentlichen Raum entscheidend, so Grande. Eine stabile Demokratie und ein gutes Regieren seien ein Nebenprodukt von Gesangsgruppen, Fußballvereinen sowie von Bildungsprojekten und Bildungsinitiativen.

Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

In einem zweiten Impuls der RENN.arena MITTE sprach Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Rats für Nachhaltige Entwicklung über „Nachhaltigkeit weiter denken – gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken“. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung arbeitet in dieser Periode an den drei Schwerpunktthemen Gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Transformation, Wege zur Netto-Null in der Klimapolitik und Trendwende für die Artenvielfalt. In einer Zeit, in der mittlerweile auch die Bevölkerung in Deutschland das Ausmaß des menschengemachten Klimawandels zu spüren bekommt und in der in einem reichen Land trotzdem so viel Ungleichheit herrscht, könne das Ambitionsniveau nicht zurückgeschraubt werden.

„Wir sind als Rat in eine gelingende Transformation nicht nur verliebt, sondern ihr auch verpflichtet. Wir sagen, es kann gelingen!“, so Hoffmann. Der Vorsitzende forderte dafür Klarheit und Transparenz von der Politik. Die Politik müsse kommunizieren, dass die sozial-ökologische Transformation mit Zumutungen und Zielkonflikten verbunden ist. Die Bürger*innen wollten wissen, wie die Lasten gerecht verteilt und der große Umbau gemeinsam gestemmt werden kann. Als ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes plädierte Hoffmann dafür, für das Gelingen der Transformation die soziale Frage an den Anfang und das Thema Arbeit mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Projektekarussell bei der RENN.arena MITTE – Was passiert in der Praxis?

Beim anschließenden Projektekarussell lernten die Teilnehmenden im Speed-Dating-Format verschiedene Projekte und Initiativen kennen. Die Projekte hatten jeweils 20 Minuten Zeit, sich vorzustellen, wobei etwa die Hälfte der Zeit für Austausch vorgesehen war. Nach Ablauf der 20 Minuten wurde gewechselt. Die Teilnehmenden hatten so die Möglichkeit, drei der präsentierenden Projekte zu besuchen. Mit dabei waren:

  • REES – Regionale Entwicklung durch Erneuerbare Energien, Stadt Rastenberg & Bürgerenergie Thüringen e.V. (Mehr Infos)
  • Inklusives Radioprojekt Irre:leicht, Radio Corax (Mehr Infos)
  • Lokale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energie, Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt GmbH (Mehr Infos)
  • Kulturbühne Neustadt, Passage 13 e.V. (Mehr Infos)
  • GWÖ-Kulturhanse-Projekt, PERIPHER, Plattform e.V. (Mehr Infos)
  • Losmachen e.V. (Mehr Infos)

Das Fazit am Ende der Karussellrunde: Projekte und Initiativen – vor Ort bei den Menschen – stärken die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ihr Wirken muss weiter unterstützt und unter anderem finanziell gefördert werden.

Workshops der RENN.arena MITTE: Diskussion der vier Spannungsfelder

Nach der Mittagspause arbeiteten die Teilnehmenden der RENN.arena MITTE in vier Workshop intensiv an den folgenden Spannungsfeldern:

  • Spannungsfeld 1: Verteilungsgerechtigkeit – Ungleichheit ist (k)ein Naturgesetz?!
  • Spannungsfeld 2: Zugehörigkeit – Bildungsgerechtigkeit, Integration und Teilhabe ermöglichen.
  • Spannungsfeld 3: Anerkennung – Gemeinsam für Demokratie und kulturelle Vielfalt statt vereint im Ressentiment.
  • Spannungsfeld 4: Erhalt der Lebensgrundlagen – Wie wird Klimaschutz für alle bezahlbar?

Geleitet von fachkundigen Moderator*innen und Impulsgebenden wurden in jedem Workshop Ursachen für die jeweiligen Spannungen ermittelt sowie mögliche Lösungswege zur Reduktion der Konflikte diskutiert. Am Ende wurden ebenfalls erste Hypothesen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts formuliert.

Spannungsfeld 1: Verteilungsgerechtigkeit – Ungleichheit ist (k)ein Naturgesetz?!

  • Ursachen: Es herrschte eine kapitalbasierte Werteorientierung vor, die mit der Auslagerung sozialer, struktureller Herausforderungen in den privaten Bereich und mit einem Fokus auf Eigenverantwortung statt kollektiver Verantwortung einhergeht. Gleichzeitig findet die Privilegierung bereits privilegierter, sozio-ökonomisch starker Bevölkerungsgruppen statt.
  • Lösungswege: Politik und Gesellschaft müssen Verteilungsgerechtigkeit an der Wurzel angehen, durch Umverteilung, bedingungslose Grundsicherung und die Schaffung von Gemeineigentum. Dazu braucht es jedoch die Bereitschaft und einen gesellschaftlichen Wertewandel. 
  • Hypothese: Wenn Ressourcen gerecht verteilt sind und werden, dann ist ein Systemwandel hin zur Gemeinwohlorientierung möglich.

Spannungsfeld 2: Zugehörigkeit – Bildungsgerechtigkeit, Integration und Teilhabe ermöglichen.

  • Ursachen: Durch die Corona-Pandemie wurden bestehende Bildungsunterschiede wieder verstärkt, sodass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund erschreckend deutlich nachweisbar ist.
  • Lösungswege: Das Startchancen-Programm der Bundesregierung bietet mit einer längerfristigen, gezielten Förderung, die auf die Infrastruktur, Bildungsinhalte, aber auch strukturelle Entwicklung gerichtet ist, die Möglichkeit, eine Angleichung der Bildungschancen zu erreichen. Die bestehenden BNE-Akteur*innen und -Strukturen sollen zum Auf- und Ausbau von Bildungslandschaften dabei einbezogen und gestärkt werden.
  • Hypothese: Die Förderung von Basiskompetenzen richtet sich auch auf Demokratiebefähigung und soziale Kompetenzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, genauso wie „Lesen, Schreiben, Rechnen“. Wenn gleiche Bildungszugänge und derartige Kompetenzen für alle Menschen bereitgestellt werden, wenn Bildung für nachhaltige Entwicklung in alle Bereiche integriert wird, dann stärkt das den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Spannungsfeld 3: Anerkennung – Gemeinsam für Demokratie und kulturelle Vielfalt statt vereint im Ressentiment.

  • Ursachen: Zunehmende Vereinzelung, Angst sowie mangelnder Respekt und Anerkennung werden gefühlt und erlebt. Dies ist besonders wahrnehmbar im ländlichen Raum. Ost und West leiden an gegenseitiger Unkenntnis und Unverständnis. Die Medien können Brandbeschleuniger sein: Die Katastrophe der Dissens, das Scheitern sind die Nachricht, nicht das Verbindende und der Kompromiss.
  • Lösungswege: Kontinuität und Förderung der Strukturen sind wichtige Voraussetzungen für die Schaffung und Ausgestaltung von Kommunikationsräumen und die Entwicklung „sichtbarer und erlebbarer“ positiver Narrative zu gelebter Haltung und Werten von Weltoffenheit, Vielfalt und Demokratie.
  • Hypothese: Wenn es gelingt, selbstwirksame, konsistente Bildung und Integration über die ganze Bildungskette hinweg in (kommunalen) Bildungslandschaften zu realisieren, werden Spannungen abgebaut, Integration, Weltoffenheit und Vielfalt gestaltbar und erlebbar und Demokratie gestärkt.

Spannungsfeld 4: Erhalt der Lebensgrundlagen – Wie wird Klimaschutz für alle bezahlbar?

  • Ursachen: In Ostdeutschland wird eine große Ungleichverteilung der Lasten beim Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere bei Windenergie, deutlich. Hier gibt es für die lokale Bevölkerung spürbare Beeinträchtigungen, jedoch kaum eine Teilhabe an den Gewinnen. Die Gewinne aus der Erzeugung erneuerbarer Energien fließen bislang zu großen Teilen aus der Region an externe Investoren ab.
  • Lösungswege: Der Ausbau erneuerbarer Energien auf kommunaler und regionaler Ebene muss mit Beteiligung und vor allem viel stärker mit finanzieller Teilhabe der Menschen vor Ort erfolgen. Hierfür braucht es weiterführende gesetzliche Regelungen.
  • Hypothese: Maßnahmen zum Erhalt der Lebensgrundlagen wie der Ausbau erneuerbarer Energien bedürfen einer breiten Akzeptanz der Menschen vor Ort. Diese kann dann deutlich erhöht werden, wenn Lasten und Gewinne gerechter verteilt werden, der Ausbau erneuerbarer Energien mit Naturschutz zusammengedacht wird und einen entscheidenden Beitrag zur regionalen Wertschöpfung leistet.

Wie bauen wir weiter Brücken und stärken den Zusammenhalt der Gesellschaft?

Die RENN.arena MITTE fand ihren Abschluss in einer Podiumsdiskussion mit Beate Seidel, Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat, Sabine Süß, Netzwerk Stiftungen und Bildung und Dr. Dr. Frank Fehlberg, Evangelische Akademie Thüringen. Dabei wurde zu Beginn noch einmal darauf hingewiesen, dass die Gesellschaft nicht so gespalten sei, wie es in den Medien oft dargestellt werde. Statt nur die Spaltung der Gesellschaft zu thematisieren, sei es wichtig, an den Ursachen der Politikverdrossenheit zu arbeiten und Vertrauen in die Politik wieder zurückzugewinnen. Es brauche außerdem Ansätze und Lösungen, um den Zusammenhalt der Menschen zu stärken.

Sabine Süß wies hier noch einmal auf die Wichtigkeit lokaler und kommunaler Räume hin. An Orten, an denen sich Personen zuhause fühlten, können sie gestalten, verändern und lernen. Dr. Dr. Frank Fehlberg hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von verbindenden Strukturen, wie der Kirche und dem Technischen Hilfswerk, hervor. Beate Seidel ergänzte, dass die Gesellschaft Möglichkeiten finden müsse, um produktiv zu streiten. Andere Meinungen müssten dabei auch ausgehalten und der ständige Druck, Sachverhalte sofort ohne Reflexion und Lernprozess bewerten zu müssen, minimiert werden. Die drei Podiumsgäste waren sich einig: Wir müssen die Demokratie verteidigen, dabei Grenzen klar benennen, aber auch im Miteinander Verständnis und Toleranz bewahren.

RENN.arena MITTE
Von links: Dr. Dr. Frank Fehlberg, Beate Seidel und Sabine Süß

Eine starke Zivilgesellschaft für Zusammenhalt und Demokratie

Am Ende des Tages, nach spannenden Inputs, interessanten Gesprächen und intensiven Diskussionen, zogen die Teilnehmenden und die Veranstaltenden ein gemeinsames Fazit:

Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie werden dann gestärkt, wenn Politik, Wirtschaft und die organisierte Zivilgesellschaft gemeinsam weiter Brücken bauen, Strukturen und Räume und für den Austausch fördern, echte Teilhabe und Chancengleichheit ermöglichen und dafür Sorge tragen, dass Lasten und Gewinne einer nachhaltigen Transformation klar benannt und gerecht verteilt werden. Gelingende Beispiele und Projekte einer nachhaltigen Transformation vor Ort wirken dabei stärkend und können andere Menschen ermutigen, sich für Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu engagieren.

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Bündnisse, die auf eine nachhaltige Entwicklung hinwirken, spielen für den Erhalt und die Stärkung der Demokratie eine besonders wichtige Rolle. Ihre Arbeit gilt es zu unterstützen und zu stärken, da sie eine Wirkung im öffentlichen Raum erzielt, die Menschen auch aus der „schweigenden Mitte“ ermutigt, sich für Demokratie und Weltoffenheit einzusetzen und gemeinsam zu handeln.

RENN.arena MITTE: Nächste Schritte

Die Ergebnisse der Konferenz flossen, gemeinsam mit den Ergebnissen drei weiterer Regionalkonferenzen, auf den RENN.tagen zusammen. Am 16. und 17. Juni wurden in Berlin die Erkenntnisse und Hypothesen zu konkreten Handlungsempfehlungen ausgearbeitet und mit Bundespolitikern diskutiert. Zum Rückblick der RENN.tage.

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